Königreich des Schweigens - Stimmen aus syrischen Gefängnissen

Dok 5 - Das Feature

Königreich des Schweigens - Stimmen aus syrischen Gefängnissen

von Jakob Weingartner

Das in den Bergen von Damaskus gelegene Militärgefängnis Saydnaya gilt als Todesfabrik. Zehntausende werden dort systematisch gebrochen und getötet. Da sie nichts sehen dürfen, tragen Geräusche die Erinnerungen der Überlebenden.

Auch wenn das Feature auf „illustrierende“ Atmo- O-Töne von realer Gewalt verzichtet, will es am Wochenende vor dem „Tag der Menschenrechte“ die „Traumatisierungs-Maschine“ Saydnaya immersiv erfahrbar machen.

Satellitenbild von Saydnaya, Militärgefängnis in Syrien

© Handout Amnesty International / AFP

Den Gefangenen sind die Augen verbunden oder sie sitzen mit dem Gesicht zur Wand. Sie horchen in den Raum, um Gefahren zu orten, erkennen Wärter an ihren Schuhen und Folterinstrumente an ihren Geräuschen. "Sadnaya ist eine Maschine, die schneidet, verbrennt und schmilzt. Sie vernichtet nicht nur Fleisch; sie tötet auch Seelen", sagt ein ehemaliger Häftling. Die Tonaufnahme findet in einer fensterlosen Zelle des früheren Stasi Gefängnisses in Berlin Hohenschönhausen statt. Geräusch für Geräusch rekonstruiert der Zeuge den Nicht-Ort Sadnaya und fasst schwer Sagbares in Worte. Über zwei Jahre hat der Autor Zeugnisse von Überlebenden dokumentiert und verdichtet.

Die Tortur hat System. Das Regime von Bashar al-Assad nutzt Angst um Syrien zu einem "Königreich des Schweigens" zu machen. Wer frei gelassen wird, ist meist traumatisiert; entweder politisch gelähmt oder religiös radikalisiert. Mancher ist nach dem Erlittenen selbst bereit, den Kreislauf der Gewalt weiter zu befeuern, bei dem sich Assad als "kleineres Übel" zu präsentieren sucht.

Amnesty International fordert seit Jahren eine internationale Untersuchung der syrischen Traumatisierungsmaschine. Öffentliche Aufmerksamkeit ist für die Überlebenden eine letzte Hoffnung. Obwohl, oder gerade weil viel darauf hindeutet, dass das Assad-Regime seine Macht über ganz Syrien zurückgewinnen könnte

Stand: 29.11.2019, 16.00 Uhr