Mitleid - Zur Verteidigung eines verhassten Gefühls

WDR 3 Kulturfeature

Mitleid - Zur Verteidigung eines verhassten Gefühls

von Angelika Brauer

Sobald Menschen wahrnehmen, dass ein anderer leidet, reagieren sie mit Empathie. Sie gehört zur Natur des Menschen und ist der instinktive Auftakt, mit dem Helfen beginnt. Mitgefühl dient der Stärkung der Gemeinschaft. Trotzdem ist es in Verruf geraten.

Jemand legt die Hand auf die Schulter einer anderen Person

© Frederic Cirou / picture-alliance

"Mir geht es schlecht, ich kann nicht mehr". Wenn Menschen an einen Tiefpunkt kommen, verschweigen sie es ihrer Umgebung oft. Sie wollen kein Mitleid. Erst recht nicht von jenen, die insgeheim aufatmen, weil es sie nicht betrifft. "Mitleid" ist in Verruf geraten. Schon das Wort schreckt ab. Dabei gehört es zum Menschsein dazu, sich "anstecken" zu lassen und mitzufühlen, wenn ein anderer leidet. Die empathische Reaktion ist instinktiv – und der Auftakt, mit dem Helfen beginnt. Schon 1840 formulierte Schopenhauer, dass nur das Mitleid stark genug sei, um den Menschen aus der Spur des Egoismus zu ziehen. Die empathische Erstreaktion kann aber auch in Stress umschlagen und die Gesundheit gefährden. Ärzte und Krankenschwestern wissen das. Und in Hirnscans der neurobiologischen Empathie-Forschung wird es erkennbar. Deshalb hat die Neurobiologin Tania Singer zusammen mit anderen Trainingsprogramme entwickelt: Die Wucht des Mitleids lässt sich nachweislich transformieren. Man muss der starken Emotion nicht hilflos ausgeliefert sein. Für professionelle Helfer, die in Krankenhäusern und Pflegestationen täglich mit viel Leiden konfrontiert werden, sind diese Hilfsangebote relevant. Aber auch für immer mehr Menschen, die mit der Haltung der Menschlichkeit stressfreier leben wollen.

Stand: 18.04.2018, 09.30 Uhr