Literatur in der Russischen Revolution
WDR 3 Kulturfeature
Literatur in der Russischen Revolution
von Antje Leetz
Das Bekenntnis des Filmregisseurs Sergej Eisenstein, ihn habe die Revolution zum Künstler gemacht, gilt für fast alle Kunstschaffenden im Russland der Jahre 1917 bis 1923: egal ob sie die Oktoberrevolution begrüßten wie Alexander Block und Alexander Rodtschenko oder sie ablehnten wie Michail Bulgakow.

"Aufbau der UDSSR" - Fotomontage von Alexander Rodtschenko
© akg-images
"Russland ist der Sturm. Die Demokratie naht sturmgegürtet", schrieb der Dichter Alexander Block im Januar 1918, zwei Monate nach dem Beginn der Oktoberrevolution. Hundert Jahre später ist die Autorin Antje Leetz zu Besuch in Petersburg bei der Schriftstellerin Ena Tramp. Die junge Frau kennt und liebt die Literatur und Kunst aus den Tagen der Revolution: die Dichter Alexander Block und Wladimir Wladimirowitsch Majakowski, den avantgardistischen Maler und Fotografen Alexander Rodtschenko – sie begrüßten die Revolution und blieben in Russland.
Ena Tramp besitzt in ihrem Archiv eine Rarität aus der damaligen Zeit: eine vergilbte Zeitung aus dem Jahr 1920, den "Westnik literatury", die "Literaturnachrichten". Darin wird gemeldet: "Wenn man Beweise für das aufblühende Literaturleben sucht, dann kann man auf den großen Erfolg der Lesungen, Vorträge und Gespräche verweisen, die im Haus der Künste stattfinden, das unlängst in Petrograd gegründet wurde. Die Säle, in denen die Veranstaltungen stattfinden, können kaum alle Wissensdurstigen fassen, die das lebendige Wort der Literatur hören wollen." - "Da war was los in den frühen zwanziger Jahren!", meint Ena Tramp. "Das ist die Zeit, in der ich gern gelebt hätte! Die Zeit der Avantgarde!" Von 1919 bis 1922 existierte in Petersburg, damals in Petrograd umbenannt, das Haus der Künste, die berühmte Schriftsteller-Kommune.
Heute ist der Kunstpalast ein vornehmes Hotel für reiche Touristen. Aber in den Jahren kurz nach der Revolution lasen hier Dichter und Schriftsteller in ungeheizten Räumen vor einer großen hungrigen Menschenmenge aus ihren neuesten Manuskripten. "Die Revolution hat mich zum Künstler gemacht." Dieses Bekenntnis des Filmregisseurs Sergej Eisenstein gilt vor allem für die damals junge Generation der Schriftsteller und Künstler. Sie schufen in Folge der Revolution Werke, die ihren Wert bis heute nicht verloren haben. Viele von ihnen gerieten schon bald in den Strudel der Stalinschen Repressionen, als die Moderne in der Kunst unterdrückt und als angebliche Konterrevolution verunglimpft wurde.
Von: Antje Leetz
Redaktion: Imke Wallefeld
Produktion: WDR 2017
Stand: 30.10.2017, 15.30 Uhr